Information aus Leidenschaft. Oder: Wie ich das Programmieren wiederentdeckte

„Nimm die Zahl aus den Dingen, und alles stürzt zusammen“.

Isidor von Sevilla (um 560-636 n. Chr.)

Erstmals Programmieren lernte ich schon recht früh, als Grundschulkind zusammen mit meinen Eltern am heimischen C64. Ich war vielleicht 6 oder 7 Jahre alt. Meine erste Programmiersprache war also BASIC, und ich erinnere mich noch gut an meine Aufregung und freudige Überraschung, als der Computer meine Anweisungen ausführte und einen von mir eingetippten Text tatsächlich auf dem Bildschirm anzeigte. Es war nicht das heute so klassische „Hallo Welt“, mit dem fast jeder Einführungskurs in eine neue Programmiersprache beginnt, aber sicherlich etwas Ähnliches – es könnte auch einfach nur „Hallo“ gewesen sein (PRINT „Hallo!“).

So lernte ich recht früh den Unterschied zwischen verschiedenen Datentypen, wie Strings und Integern, sowie die Verwendung von Variablen. Jedoch erst viel später, in der Oberstufe, vertiefte ich meine Kenntnisse im Informatikunterricht, unter anderem mit Turbo Pascal und Prolog. Auch war mein Vater Software-Entwickler gewesen, über den ich das Programmieren auch nochmals aus praktischer Perspektive kennenlernte. Warum, wird man jetzt vielleicht fragen, habe ich dann nicht Informatik studiert? Die kurze Antwort (für die längere muss ich mir einmal mehr Zeit nehmen): Ich war 1) von meinen Nerd-Mitschüler*innen eingeschüchtert worden, von denen ich glaubte, dass sie viel besser waren als ich, und ich begann 2) andere, theoretische Grundsatzfragen nach Metaphysik, Ethik und Moral zu stellen, die mir in meinem jugendlichen Idealismus wichtiger schienen.

Daher zog es mich, mit Umwegen, zur Philosophie. Aber ganz vergessen habe ich das Programmieren nie, und nun hatte ich vor einigen Jahren Zeit und Muße, mich durch eines der Bootcamps zu arbeiten, wie sie gerade überall, Pilzen gleich, aus dem Boden schießen. Dadurch habe ich meine Freude am Programmieren erst spät wiederentdeckt, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass ich erst jetzt, nach Studium, Promotion und vielen Jahren Arbeitserfahrung, wirklich begriffen habe, was man damit alles anstellen kann und wie sehr man sich damit ansonsten monotone Arbeit erleichtern kann.

Ein islamisches Astrolabium aus dem 9. Jahrhundert, Nordafrika. Nasser D. Khalili Collection of Islamic Art, SCI 430. Copyright: CC-BY-SA 3.0 IGO.

Meine neue Motivation kam aber auch von ganz anderswoher: Eigentlich hatte ich immer schon eine Begabung sowohl für Geistes- als auch Naturwissenschaften gehabt. Und gerne hätte ich beide Seiten gleichzeitig kultiviert. Aber nach der Schule schien mir, dass man sich entscheiden muss, nicht beides gleichzeitig sein kann. Mit Datenverarbeitung, so habe ich erst kürzlich begriffen, hat man ein Instrument zur Hand, mit dem man beide Welten überbrücken kann. Dazu kommt, dass ich, je älter ich werde, immer mehr dazu neige, praktische Probleme lösen zu wollen, nicht nur theoretische. Was vielleicht auch etwas mit unseren heutigen Lebensumständen zu tun hat. Vor den Herausforderungen der Klimakrise etwa kann man seine Augen einfach nicht mehr verschließen. Man muss etwas tun.

Vielleicht für manche überraschend, aber zur Mathematik zurückgeführt hat mich auch meine jahrelange Beschäftigung mit Spiel, dem ich meine Doktorarbeit und eine Reihe publizierter Artikel gewidmet habe. Vielleicht aber ist das auch wieder nicht so überraschend: denn wenn man sich mit Spiel und Spielen intellektuell auseinandersetzt, kommt man fast unweigerlich auf Fragen nach Zufall und Wahrscheinlichkeit, und damit steht man ja schon mit mehr als einem Bein in Stochastik und Statistik. Von der mathematischen Spieltheorie ganz zu schweigen, die versucht, mithilfe von Spielanordnungen rational-strategische Entscheidungen zu modellieren.

Anders gesagt: Lebenswege sind manchmal seltsam, keineswegs geradlinig, auch wenn uns das manchmal als Ideal suggeriert wird. Man beschreitet Umwege, die scheinbar weiterführen, über die man aber seltsamerweise wieder zu längst zurückgelassenen Ausgangspunkten zurückkehrt. Der Unterschied ist nur, dass man diesen Anfängen mit den vielen Erfahrungen begegnet, die man auf dem Weg gemacht hat und die vorher nicht zur Verfügung standen.

Und insofern freut mich, dass ich in der Welt der Daten nun einen neuen Spielplatz entdeckt habe, der mir viel Freude macht. Auch das war eine Überraschung: vormals wäre ich fest davon überzeugt gewesen, dass mich Technik nicht inspirieren könne. Zwar wusste ich, dass ich mathematische, technische und naturwissenschaftliche Inhalte verstehen könne; doch dass ich in ihnen kreativ werden könne – das hatte ich nicht geglaubt. Mir schien aber, dass das eine wesentliche Voraussetzung für ein Studium der Natur- oder Ingenieurswissenschaften sei – und deshalb ließ ich meine Finger davon.

Nun aber sehe ich, dass es ein Element gibt, das all meine verschiedenen Aktivitäten innerlich verbindet: Wissen und Information. Verstehen zu wollen, wissen zu wollen, was ich noch nicht weiß, hat mich stets motiviert und angetrieben. Die Recherche ist mir so sehr im Blut, dass ich manchmal bei der Recherche bin ohne bewusst zu merken, dass ich gerade recherchiere.